‚Menstruation around the world’ ist eine Themenreihe von Vulvani, die versucht die Vielfalt von Menstruationserfahrungen in aller Welt aufzuzeigen. Wir porträtieren Personen aus verschiedenen Ländern mit ihren persönlichen Geschichten. Lasst uns gemeinsam die wunderbare und so vielfältige Welt der Menstruationserfahrungen erkunden und mehr Wertschätzung für die eigene Menstruation erlernen.
Mara lebt in Madrid in Spanien, ist aber in Brasilien geboren und aufgewachsen. Sehr ehrlich nimmt sie uns in dem Interview mit auf ihren langen Weg zu mehr Selbstakzeptanz, Liebe und Wertschätzung für die eigene Menstruation. Liebe Mara, von Herzen Danke für deine Offenheit und das tolle Interview!
Persönliche Eckdaten
Name: Mara
Alter: 25
Geschlecht: weiblich
Geburtsland: Brasilien
Wohnort: Madrid, Spanien
Studium + Job: Kreative Frau
Alter bei der ersten Periode: 12
Lieblings-Menstruationsprodukt: Menstruationstasse
Kosten pro Menstruation: Vor sieben Jahre habe ich rund 20€ für eine Menstruationstasse bezahlt
Verhütungsmethode: Einschätzung der Fruchtbarkeit und Kondome
1. Wie wird Menstruation in deiner Familie, Kultur oder auch Land gesehen?
Ich bin bis zum Alter von 10 Jahren in einer sehr einfachen Kultur und auf dem Land aufgewachsen. Ich wusste nichts über Menstruation. Bis ich 10 Jahre alt war, wusste ich nicht einmal, dass es sie gibt.
Auch in den folgenden Jahren war von Menstruation keine Rede. Weder über den Körper noch über Sexualität, es war etwas völlig Tabuisiertes. Bis heute erlebe ich in meiner Familie, dass es etwas ist, das komplett als Tabu behandelt wird. Vielleicht, weil es eine sehr ländliche Kultur ist, in der die meisten Menschen, auch die Frauen, keinen Zugang zu Kultur oder Bildung haben. Eine verschlossene, in der Zeit verloren gegangene Gesellschaft, in der über den Körper und Sexualität nicht gesprochen wird. Ich denke, dass die Menstruation in Brasilien im Allgemeinen genauso tabuisiert ist wie Sexualität selbst.
2. Wie und von wem wurdest du über Menstruation aufgeklärt?
Was ich über die Menstruation gelernt habe, ist von der Schule. Ich habe aber nur wenige Erinnerungen an den Unterricht über Fortpflanzung und Sexualität.
Als ich ein Kind war, hörte ich, dass an den Tagen, an denen ich blutete, niemand davon erfahren sollte. Und ich durfte auch nicht zulassen, dass Männer merken, dass ich blutete. Das war Teil einer gewalttätigen Kultur, in der Perioden bereits ein Grund dafür waren, vergewaltigt zu werden.
3. Erzähl ein bisschen von deiner ersten Periode.
Meine erste Periode war schrecklich. Ich lebte nicht mehr bei meiner biologischen Familie. Mit 10 Jahren wurde ich von einer Dame adoptiert, die mich eigentlich wie eine Hausangestellte behandelte.
Aber da wir gerade von diesem Tag sprachen, ich lebte in einer Gemeinde in Rio de Janeiro. Ich war gerade 12 Jahre geworden, es war der 22. August 2008. Ich hatte am 28. Juli meinen 12. Geburtstag. In dem Haus, in dem ich wohnte, mangelte es an Wasser. Und ich musste auf die Toilette gehen, also ging ich zu meiner Freundin Amanda rüber.
„Als ich meine Klamotten auszog und den kleinen Blutfleck sah, fühlte ich Verzweiflung, Angst, Scham und ein Gefühl der Verlassenheit.“
Als ich meine Klamotten auszog und den kleinen Blutfleck sah, fühlte ich Verzweiflung, Angst, Scham und ein Gefühl der Verlassenheit. Ich erinnere mich, dass ich Amanda bat, es niemandem zu sagen. Doch bevor ich nach draußen gehen konnte, brüllte Amanda zu allen, ich hätte geblutet. Ich fühlte mich verraten, denn alle wussten, dass ich bereits eine „Frau“ war. Ohne Ausnahmen alle. Und zum ersten Mal fühlte ich mich missbraucht, ohne berührt zu werden.
4. Wie stehst du zu deiner eigenen Menstruation? Hat sich das Gefühl über die Jahre verändert?
Heute habe ich mit meinem Blut, mit mir selbst und mit meinen Wunden, die durch eine frauenfeindliche und gewalttätige Kultur verursacht wurden, Frieden geschlossen.
In den vergangenen Jahren habe ich mich mir selbst genähert und mich durch mein Blut geheilt. In den letzten 6 Jahren habe ich mit meinem Menstruationsblut wieder eine friedliche und liebevolle Beziehung aufgebaut. Heute liebe ich es, eine Frau zu sein. Ich liebe das Bewusstsein, das ich heute mit meinem Körper und meiner Blutung habe. Jeden Monat zu spüren, wenn der Prozess des Blutens endlich beginnt, ist etwas sehr Kostbares.. Ich glaube, dass eine Frau nur dann völlig in Frieden leben kann, wenn sie eine harmonische und liebevolle Beziehung zu ihrem Blut und ihrem Körper aufbauen kann.
Photo credit: Mara
5. Welche Menstruationsprodukte hast du schon ausprobiert?
Bevor ich angefangen habe Menstruationstassen zu verwenden, habe ich Wegwerfbinden verwendet.
6. Was machst du am liebsten, wenn du deine Tage hast?
Meistens male ich, manchmal mit meinem Blut. Manchmal verteile ich es auf den Pflanzen oder manchmal spreche ich mit dem Blut und danke ihm, dass es da ist. Ich fasse es gerne an und spüre es.
Meistens male ich, manchmal mit meinem Blut. Manchmal verteile ich es auf den Pflanzen oder manchmal spreche ich mit dem Blut und danke ihm, dass es da ist. Ich fasse es gerne an und spüre es.
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7. Wie fühlst du dich während deiner Periode?
Ich habe sehr Glück, denn ich habe keine körperlichen Beschwerden. Ich fühle den kleinen Tanz in der Gebärmutter, aber es ist etwas ganz Geschmeidiges. Das Einzige, was man bei jedem Zyklus bemerkt, ist die Veränderung auf emotionaler Ebene.
8. Mit wem sprichst du über Menstruation?
Ich spreche heutzutage mit allen über Menstruation. Denn einer meiner größten Wünsche ist es, dass Menstruationsblut natürlich und ohne jedes Tabu behandelt wird.
9. Hast du eine besonders lustige, wichtige oder peinliche Menstruationsgeschichte?
Einmal traf ich einen Typen, den ich zu mir nach Hause eingeladen habe. Und ich dachte, dass wir Sex haben könnten… bis ich ihn nach meinen Bildern fragte, ob er sich vorstellen könne, woraus sie gemacht seien. Und er antwortete Nein. Als ich es ihm sagte, antwortete er: „Wie ekelhaft“. Ich habe ihm schnell gesagt, er solle sich anziehen und aus meinem Haus verschwinden. Bis heute hat der Junge nicht verstanden warum.
Natürlich würde ich heutzutage niemals Sex mit einem Jungen haben, der mir sagt, dass er sich vor Blut ekelt. Und ich habe ihn nie wieder gesehen, obwohl er mir geschrieben hat, um mich zu fragen, was passiert ist. Ich habe ihm nur gesagt: Denk nach.
Photo credit: Mara
10. Möchtest du noch etwas anderes über Menstruation (oder dich selbst) erzählen?
Ich denke, um die Welt zu verändern, werden wir sehr viele Dinge ändern müssen. Angefangen mit dem Brechen sämtlicher Tabus in Bezug auf den Körper, vor allem den weiblichen Körper. Ich denke, es ist sehr wichtig, unseren Mädchen die innere Kraft beizubringen. Und dann werden wir uns vielleicht der inneren Kraft, die wir haben, sehr bewusst werden. Mit unserer eigenen Welt im Frieden zu sein, wird die wichtigste Revolution sein.
„Mit unserer eigenen Welt im Frieden zu sein, wird die wichtigste Revolution sein.“
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Wir hoffen, die Porträts von menstruierenden Menschen so vielfältig und divers wie möglich präsentieren zu können. Und dafür brauchen wir dich – ganz egal, wie du zu deiner eigenen Menstruation stehst oder woher du kommst! Wenn du Lust hast, Teil dieser Serie zu werden und deine persönlichen Erfahrungen sowie Gedanken über Menstruation mit uns zu teilen, dann schreibe uns eine Nachricht oder fülle einfach den Fragenbogen aus (auch anonymisiert möglich). Wir freuen uns schon jetzt, deine Geschichte mit der Vulvani-Community zu teilen!