Im November 2020 stimmte das schottische Parlament einstimmig für die Verabschiedung des „Period Products (Free Provision) (Scotland) Act“. Das Gesetz stellt kostenlose Periodenprodukte für alle in ganz Schottland zu Verfügung, der/die sie benötigen. Es verpflichtet außerdem die lokalen Behörden, kostenlose Tampons und Periodenprodukte für die Menschen in ihren Kreisen bereitzustellen. In einigen Orten, wie z.B. in North Ayrshire, haben die lokalen Behörden dies bereits getan und das wird nun schon bald überall der Fall sein. Schottland ist damit das erste Land auf der Welt, das diesen Schritt so entschlossen unternommen hat.
Kämpfer:innen für kostenlose Periodenprodukte
Das Gesetz wurde nach einer vierjährigen Kampagne von Monica Lennon verabschiedet. Lennon ist die Gesundheitssprecherin der schottischen Labour-Partei. Dazu beigetragen hatten viele Basisorganisationen in ganz Schottland, wie Women for Independence, sowie Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Gruppen. Außerdem wurde damit endlich ein Versprechen der ersten Ministerin Nicola Sturgeon gesetzlich gefestigt: alle Schulen und Universitäten müssen kostenlose Periodenprodukte zur Verfügung stellen.
Nach der Verabschiedung des Gesetzes betonte Lennon in ihrer Rede, wie wichtig dieser Schritt sei: „Menstruation ist normal. Der kostenlose universelle Zugang zu Tampons, Binden und wiederverwendbaren Optionen sollte ebenfalls normal sein.“ Sie bekräftigte auch: „Menstruationswürde für alle ist nicht radikal oder extrem; es ist einfach das Richtige.“
Periodenarmut in Schottland
Das Gesetz kam zu einem kritischen Zeitpunkt, kurz nach den ersten Auswirkungen der COVID-19-Pandemie. Eine Folge: die Fälle von Periodenarmut schossen weltweit in die Höhe. „Perioden stoppen nicht für eine Pandemien,“ wie Lennon sagte. Umfragen in Großbritannien ergeben, dass eine menstruierende Person durchschnittlich 13 Pfund pro Monat für Menstruationsprodukte ausgibt. Das ist eine erhebliche Ausgabe, vor allem, wenn es Einschränkungen bei Geld und bezahlbaren Produkten gibt. Bereits in der Zeit vor der Pandemie war die Situation furchtbar: Die schottische Basisorganisation Women for Independence fand heraus, dass jede fünfte menstruierende Person von Menstruationsarmut betroffen ist. Ein anderes Forschungsprojekt legte sogar nahe, dass über die Hälfte der Befragten wegen ihrer Periode die Schule verpasst hat.
Darüber hinaus zeigte eine Studie unter mehr als 2.000 jungen Menschen von Young Scot aus dem Jahr 2018, dass besonders junge Menschen in Schottland betroffen sind. Laut den Antworten der Umfrage hatten 24 Prozent der Schüler:innen und Studierenden Schwierigkeiten beim Zugang zu Periodenprodukten. Das zeigt, wie wichtig Sturgeons Versprechen im Jahr 2017 war. Zusätzlich berichteten 26 Prozent der Antworten von jungen Menschen, die sich nicht in einer Ausbildung befinden, hauptsächlich von Schwierigkeiten mit Verfügbarkeit und Bezahlbarkeit. Die Mehrheit von ihnen gab an, dass sie sich oft Produkte von Freund:innen leihen oder Ersatzprodukte wie Toilettenpapier verwenden. Das kann das Selbstwertgefühl negativ beeinflussen. Die schlechte Bezahlbarkeit von Menstruationsprodukten, der schwierige Zugang und das gesellschaftliche Tabu sind alles wichtige Probleme für Menstruierende. Das Gesetz könnte hier Abhilfe schaffen und einkommensschwachen Haushalten helfen, ihren Alltag während der Menstruation zu bewältigen.
Wie funktioniert die Regelung?
Die Regelung ist Aufgabe der Kommunen und die Regierung hat die Befugnis, sie bei Bedarf durchzusetzen. So sollen die Menstruationsprodukte in eingerichteten öffentlichen Bereichen, wie Apotheken, Gemeindezentren oder öffentlichen Gebäuden, erhältlich sein. In einigen Gebieten wie Aberdeen gibt es sogar ein Projekt, das die kostenlosen Periodenprodukte an Haushalte mit geringem Einkommen liefert. Obwohl das System nicht auf seine Notwendigkeit geprüft wurde und es die Steuerzahler:innen voraussichtlich mehr als acht Millionen Pfund pro Jahr kosten wird, ist es eindeutig willkommen. Sturgeon twitterte, sie sei „stolz, für diese bahnbrechende Gesetzgebung zu stimmen.“ Die Reaktionen darauf sind seit November überwiegend positiv.
Die Zukunft für kostenlose Periodenprodukte
Obwohl die Zukunft immer unklar ist, ist das Programm ein ermutigender Schritt in die richtige Richtung. Schottland ist das erste Land, das diesen Schritt geht. Jedoch arbeiten auch andere Länder bereits daran, Maßnahmen gegen die Periodenarmut zu ergreifen. So hat sich England verpflichtet, kostenlose Periodenprodukte in Bildungseinrichtungen zur Verfügung zu stellen. Viele europäische Länder sind außerdem dabei, die Steuern abzuschaffen, die Periodenprodukte so teuer machen. „Schottland wird nicht das letzte Land sein, das die Periodenarmut der Geschichte überlässt,“ sagte Lennon über das neue Gesetz und dessen mögliche Auswirkungen. „Aber wir haben die Chance, das Erste zu sein.“
Petition für kostenlose Periodenprodukte in Deutschland
Ende 2020 hat der gemeinnützige Verein Social Period die Petition „#Periodenarmut: Freier Zugang zu Menstruationsprodukten in öffentlichen Einrichtungen“ auf der Plattform change.org gestartet. Mehr als 50.000 Personen haben die Petition bereits unterschrieben.