Eine mexikanische Tradition: Die erste Periode feiern

In verschiedenen Ländern wird die erste Menstruation unterschiedlich wahrgenommen und sogar zelebriert. Du fragst dich jetzt vielleicht noch: Die erste Periode feiern? Genau das haben Mari und ihre Oma gemacht. Um euch eine schöne Tradition aus Mexiko näher zu bringen, erzählt Mari Silvia Marín Pineda in diesem Gastartikel von ihrer ersten Periode.

Ich bin eine künstlerisch begabte Frau aus Juchitán, Oaxaca. Ein Land mit einem schmalen Territorialgürtel. Dort, wo die zapotekischen Seelen als Nachfolger:innen der Mayas wunderbar vibrieren. Geboren wurde ich im Herbst 1976 am Tag nach Allerheiligen, „als sich die Seele der Xandú verabschiedeten“, sagte meine Abuelita (Spanisch für Großmutter).

Aktuell lebe ich in Metepec, Mexiko. Meine Pilgerreise habe ich der Liebe zu verdanken. Ich habe geheiratet und wie die Adelitas, kam ich, um an einem Ort zu revolutionieren, der anders ist als meine kleine Heimat.

Und nun bin ich hier, schreibe eine Kurzgeschichte der weiblichen Natur, meiner ersten Monatsblutung. Sie hat mir zwei Töchter geschenkt– Natalia, 11 Jahre alt und Renata, 7 Jahre alt. Ich wurde gesegnet. Durch die Abstammung, die ich in meinem Geist trage, durch die Erbschaften ohne Testament, die aber viel wertvoller sind als die Minen von König Salomon.

Photo Credits: Mari Silvia

Der erste Berührungspunkt mit meiner Menstruation

Ich wusste rein gar nichts über die Periode. Eines Tages in der Schule haben meine Klassenkameradinnen mich auf mein „Geschenk“  (Spanisch „regalo“, nahe an „regla“ für Menstruation) angesprochen. Ich dachte, sie meinten mein Lineal (Spanisch „regla“). Natürlich ist die gesamte Klasse in Gelächter ausgebrochen. Ich war damals noch sehr ahnungslos. Ich war ja auch erst 10 Jahre alt, im Gegensatz zu meinen Klassenkamerad:innen, die teilweise schon 13 oder 14 Jahre alt waren.

Meine Mutterfigur – meine Abuelita

Da ich von meiner Abuelita als Mutterfigur großgezogen wurde, kam ich an diesem Nachmittag zu ihr. Die Frage brannte mir auf der Zunge: „Abuelita, was ist eine Periode?“

Meine Abuelita war eine sehr alte Frau. So nannten wir Erwachsene Menschen. Nicht um sie zu diskriminieren, sondern voller Respekt für die Weisheit, die sie mit ihren 81 Jahren als Großmutter mitbrachte. Sie war überhaupt nicht überrascht über eine solche Frage. Sie stellte ihren Kaffee schweigend hin, setzte sich, sah mich an und sagte: „Jetzt, wo der Kaffee fertig ist, werde ich dir alles über die Monatsblutung erzählen. Wir werden deine erste Periode feiern.“ Sie war eine zapotekische Frau und mit aller Ruhe der Welt sagte sie: „Seven guenda guará stiu.“ (deine Krankheit wird kommen).

Sie sagte mir, dass es Blut sei, welches aus meinem Schoßraum komme. Es sei eine Warnung, dass ich Mutter werden könne. Jede Frau auf der Erde hätte diese Begegnung im Leben, um selbst Leben zu erschaffen. Ich solle keine Angst haben. Wenn die Zeit dafür reif sei, wenn Gott mir Leben schenke, sei sie an meiner Seite und wird mich begleiten. Ich hatte zu der Zeit keine Angst. Denn ich war ja noch ein kleines Mädchen: Schelmisch und temperamentvoll, welches gleichermaßen gerne mit Jungs und Mädchen spielte.

Photo Credits: Mari Silvia

Wie lief meine erste Periode ab?

Am 11. Januar 1989, mit 12 Jahren und 2 Monaten kam sie – LA MENARCA, meine erste Menstruation. Es war eine Winternacht, nachdem ich draußen den ganzen Tag mit meinen Freund:innen gespielt hatte. Bevor ich mich schlafen legte, zog ich mich vor meiner 6 Jahre älteren Schwester um. Sie lag lesend im Bett, als sie sagte: „Du hast deine Periode bekommen.“ Ich selbst sah in meine Unterhose und entdeckte diesen großen roten Fleck. Ich geriet in eine Starre. Nicht, dass ich nicht wusste, wie ich mich bewegen kann, sondern weil ich nicht wusste, was ich machen sollte.

Ich hatte plötzlich den Drang, meine Abuelita zu rufen. Denn Gott sei Dank, hatte ich das Glück, dass sie mich in meinem Leben begleiten konnte. Meine Schwester stand vom Bett auf und schenkte mir eine Binde. Ich ging schnell ins Bad, um sie in meiner Unterhose zu platzieren. Natürlich musste ich nochmal ins Zimmer zurück, um meine Schwester nach Hilfe zu fragen. Ich wusste ja nicht, wie ich diese Binde festmachen kann.

Nachdem ich dann die Binde platzieren konnte, flüchtete ich in die Arme meiner Abuelita und sagte: „Ma´biete guendaguará stine“ (ich habe meine Menstruation geschenkt bekommen). Sie umarmte mich und meinte: „Dein Körper ist nun zur Frau geworden, dein Herz ist jedoch noch kindlich. Ich muss mich jetzt mehr denn je um dich kümmern.“

Photo Credits: Mari Silvia

Die erste Periode feiern: Ich fühlte mich sicher

Ihr fragt euch nun, wie ich mich in diesem Moment fühlte. Ich fühlte mich einfach nur sicher in den Armen meiner alten Abuelita. Sie wollte nun meine erste Periode feiern. Sie zündete eine Kerze an, sprach ein Gebet und eine Empfehlung an Gott und die Heiligen. Mein Schweigen war Teil des Rituals, um sie beten zu lassen und ich ließ sie Fürsprache für mein Glück halten.

Am nächsten Tag gab es keine Binden mehr, also nahm meine Abuelita ein Baumwolltuch und begann, Streifen daraus zu machen. Sie ordnete sie in einem Rechteck an und ließ mir etwa ein Dutzend davon da. Sie erzählte mir, dass sie nicht weggeworfen werden, sondern gewaschen und zum Trocknen in die Sonne gelegt.– Ganz ohne Chlor und nur mit Seife. Dieses Waschen meiner Tücher oder Stoffe ging über mehrere Jahre, vielleicht noch drei Jahre. Ich halte das auch für eine noble Art, die Umwelt nicht zu verschmutzen und liebevoll mit der Natur umzugehen.

Tradition der ersten Periode in Mexiko

Am 12. Januar, am 2. Tag meiner ersten Monatsblutung, hat Inés Felipe (das war ihr gesegneter Name) eine große Badewanne draußen an der Sonne für mich vorbereitet. So startete meine Menarca (Spanisch für erste Menstruation) und wir wollten meine erste Periode feiern. Die Badewanne war angereichert mit Jasmin Blumen, Blätter von der Cordoncillo Pflanze, Orangenblüten, Rosenblätter von Kastilien, Basilikum, Rosmarin und ein bisschen Anis. Zum Schluss fügte sie noch etwas Eaux de cologne „Sanborns“ dazu. Einfach, weil es lecker roch.

Das wohlduftende Bad und die wärmende Salbung

Nachdem sie alles vermischt hatte, bat sie mich in die Badewanne. Ich badete also in der Sonne, umgeben mit diesen fantastischen Gerüchen. Sie stand neben der Badewanne und benässte meinen Kopf mit einer „Jícara“, einer speziellen Schüssel. Währenddessen dankte sie flüsternd für mein Leben und meine Zukunft. Ich verbrachte etwa 15 Minuten in der Badewanne. Es ist ein besonderes Gefühl, die erste Periode feiern und liebevoll gestalten zu können.

Anschließend wickelte sie mich in ein Handtuch und brachte mich in das Haus. Sie legte mich in ein Bett und nahm eine thermische Salbe, die „Vaquita“, zur Hand. Anschliessend begann sie, mein Körper mit einer sanften Massage einzusalben. Sie startete mit dem Kopf, dann den Nacken, die Arme, meinen Bauch – die Salbe erwärmte mein Unterleib. Sie sagte, dass ich als Kind an kalten sowie warmen Orten gesessen hätte. Das führte dazu, dass meine Organe kalt oder warm wurden. Mit diesem Bad und dieser Salbe wird mein Körper die ideale Wärme erlangen und unnötiges Unwohlsein vermeiden. Sie salbte mich weiter ein, bis zu den Füßen und als sie fertig war, deckte sie mich zu.

Ich blieb den ganzen Tag so im Bett liegen. Zum Essen bekam ich Hühnerbrühe und Maisgrieß, es sollte nichts Reizendes oder Säuerliches sein . Dasselbe Essen gab es auch die nächsten drei Tage, an denen ich die Monatsblutung hatte. Ich durfte die restlichen Tage meiner Periode nicht mehr baden, nur noch mein Gesicht und die Achselhöhlen waschen und ständig meine Binden wechseln. Als meine Menstruation zu Ende war, lebte ich wieder normal weiter, aber sorgfältig, um plötzliche Temperaturschwankungen zu vermeiden.

Photo Credits: Mari Silvia

Mit einer Salbung die erste Periode feiern 

Als sie mich einsalbte, betete sie mit leiser Stimme bei der höheren Macht für mein Leben. Nichts Strukturiertes, aber die Frauen meiner Kultur taten dies so. Sie beteten leise, während sie dich einsalbten. Sie umhüllen dich mit ihrer Weichheit und du bleibst einfach still liegen. Mein Schweigen ist Teil des Rituals der ersten Periode.

Ich erinnerte mich nicht daran, ob die Mädchen meiner Klasse auch ihre erste Periode feiern konnten. Aber ich vergesse nie, dass ich von einer sehr weisen Frau erzogen wurde. Eine der Alten, die eine besondere Sprache der Liebe hatte und ich wusste es ohne zu fragen.

Mein Leben nach der ersten Menstruation

So ging mein Leben dahin, in Harmonie mit meiner Natur, ohne Schmerzen  oder Störungen. Monatsblutungen von drei Tagen, normale Blutungen, die ersten Jahre alle 45 Tage und als ich in meinem Erwachsenenalter war, alle 28 Tage. Ich habe mich nie beschwert, als meine Periode kam. Im Gegenteil, es war ein Synonym dafür, dass alles in mir gut lief, ich hatte harmonische Schwangerschaften – gesund und voller Liebe. Jetzt habe ich zwei Mädchen, Natalia steht kurz vor ihrer ersten Menstruation. Ich habe mit ihr über meine Menarca gesprochen und habe ihr erzählt, dass meine Abuelita meine erste Periode mit mir gefeiert hat. Meine Tochter ist glücklich, Teil dieses Rituals zu werden.

Es gibt keine Angst, kein Tabu und keine Ablehnung von etwas, das natürlich ist. Weil ich es von Anfang an so gelebt habe und vor allem mit einer immensen Geborgenheit, die mir meine Abuelita mitgegeben hat und die mich für das Leben geprägt hat, und ich glaube auch über mein Leben hinaus, durch meine Nachkommen.

Photo Credits: Mari Silvia

Lasst uns alle die erste Periode feiern

Mit meinem ganzen Herzen teile ich diese Lebensgeschichte meines Stamms und das Ritual meiner ersten Periode. Damit diese Rituale nicht verloren gehen und wir alle unsere erste Periode feiern können. Aber vor allem, um diese großartige Frau, meine Abuelita, zu ehren. Die, ohne Spanisch sprechen zu können oder eine Grundausbildung zu haben, ein wunderbares Erbe hinterlassen hat, das es nun wert ist, geteilt zu werden.

Meine Abuelita starb im Frühling 2000. Sie kam am 20. April 1905 in Juchitàn, Oaxaca auf die Welt und trug Früchte durch ihren einzigen Sohn, ihre Enkel- und Urenkelkinder.

Solange ich lebe, wird sie in meinen Sonnen und vor allem meinen Monden sein.

Mari Silvia Marín Pineda
La Teca de Oro.

Online-Kurse, die zu den Themen passen:

Britta von Vulvani
Britta von Vulvani
CEO & Co-Gründerin von Vulvani
19,00

Hol dir unsere Workbooks für 0 Euro!

Der Blick in deinen Zyklus

Workbook jetzt für 0 Euro
Erhalte dein digitales Workbook direkt per E-Mail und lerne in 5 Schritten deinen Menstruationszyklus kennen!
Free Bleeding Workbook

Wusstest du, dass dein Periodenblut nicht dauerhaft fließt wie ein Wasserfall?

Jetzt für 0 Euro zum Download

Free Bleeding Workbook!

Juli 14, 2021
Mari Silvia Marín Pineda ist die Gründerin von ‘La Teca de Oro’, einer Marke für traditionelle mexikanische Kleidung. Sie lebt in Metepec, Mexiko und gibt die wunderschönen Traditionen zu ersten Periode, gelernt von ihrer Oma, an ihre Kinder weiter. | Facebook | Instagram

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Unsere Lesetipps für dich:

Britta dancing

Nur für kurze Zeit

10% Gutschein auf alle Online-Kurse!

Britta dancing
Egal ob Menstruation, Zyklus, Sexualität, Kinderwunsch, Yoga oder Elternschaft – Erhalte deinen persönlichen Rabatt-Gutschein auf die Online-Kurse deiner Wahl.