Periode und Pandemie. Ein Problem, an das in der Anfangsphase der Covid-Epidemie niemand dachte. Zu groß war die Sorge um genügend Toilettenpapier. Doch mit welchen Problemen hatten menstruierende Menschen zu kämpfen und welche Hindernisse müssen sie noch immer überwinden? Die Gesundheitsberaterin Dr. Michelle Frank hat untersucht, welche Auswirkungen die Pandemie hatte und immer noch hat:
Wenn die Corona-Impfung nicht dein einziges Problem ist
Überall auf unserem Globus wird noch immer darüber geflüstert, wie sich die Pandemie auf die verschiedenen Gemeinschaften ausgewirkt hat. Trotz der Impfstoffinitiativen, welche auf der ganzen Welt laufen, gibt es noch viele Länder (wie Brasilien und Indien), die in dieser Zeit düstere Aussichten haben.
Bei jeder Welle einer globalen Krise lassen sich oft größere Auswirkungen auf einen bestimmten Teil der Gesellschaft erkennen. Während dieser Pandemie, in der die Welt kollektiv mit der Bewältigung des neuartigen Coronavirus kämpfte, sahen sich Menstruierende mit zusätzlichen Herausforderungen konfrontiert. Denn die Auswirkungen der Pandemie machten die klaffenden Lücken bei der Lösung von Gesundheitsproblemen menstruierender Menschen nur noch deutlicher.
Periode und Pandemie: Das logistische Problem
Zum Ausbruch der Pandemie ging es in erster Linie um die Eindämmung der Ausbreitung. Durch die neuen Ausgangsbeschränkungen sollte die Wahrscheinlichkeit von Übertragungen verringert werden. Das gipfelte in der weltweiten Abriegelung von Industrien, Märkten und Transportmitteln.
Die direkten Auswirkungen für Menstruierende:
- Beschränkungen beim Zugang zu Menstruationsprodukten
- Produktionsstopps für Menstruationsprodukte
- Unzugängliche medizinische Versorgung bei menstruationsbedingten Problemen
- Außerdem: Zerstörung grundlegender Hygiene- und Sanitärpraktiken
Es ist bereits bekannt, dass der Menstruationszyklus tief mit anderen Funktionen im Körper menstruierender Menschen verwoben ist. Das heißt, er führt nicht nur dazu, dass jeden Monat die Gebärmutterschleimhaut durch die Vagina abgestoßen wird. Die Veränderung der Hormonmuster führt zusätzlich zu körperlichen und seelischen Veränderungen im Laufe eines jeden Monats und somit über das ganze Jahr hinweg. Und diese Veränderungen sind bei jeder menstruierenden Person einzigartig.
Zusätzliche Hürden:
Mit der Schließung von Geschäften und dem Stillstand des öffentlichen Lebens wurden Menstruierende mit zusätzlichen Hürden während der Menstruation konfroniert: mit den Herausforderungen zusätzlicher Hausarbeit, beruflicher Verpflichtungen, dem Management von Kindern und ihrem Studium, zusätzlicher Stressoren durch Personen, die den ganzen Tag zu Hause sind, und Einschränkungen bei Medikamenten und Ernährung. Und das sind nur die sichtbaren Hürden an der Oberfläche. Denn eine von Plan International durchgeführte Umfrage zeigte, dass für etwa 75 Prozent der Menstruierenden der Zugang zu sanitären Einrichtungen mit Wasser während der Pandemie weiter eingeschränkt war.
Die Realität der Pandemie: Alle Menstruierenden bleiben zurück
Ein weiterer logistischer Albtraum, der sich während der Pandemie abzeichnete, war der weltweite Mangel an persönlicher Schutzausrüstung (PSA). Das betraf sowohl die Industrie- als auch die Entwicklungsländer. Da etwa 70 Prozent des globalen Gesundheitspersonals weiblich ist, wurde die Notwendigkeit praktischer Lösungen für die Menstruation bei der Verwendung von PSA grob übersehen. Viele der Frauen betonten, dass die Protokolle zum Tragen und Wechseln von PSAs keine Rücksicht auf Menstruierende nehmen. Menstruierende fühlten sich erdrückt, bluteten durch ihre PSA und fanden es schwierig, ihre Produkte zu wechseln, während sie in ihrer PSA waren. Diese Pandemie machte deshalb deutlich, dass Menstruationsarmut nicht diskriminierend ist. Und sie dabei ein Licht auf die entscheidende Tatsache, dass die Periode auch während der Pandemie nicht halt macht.
Pandemie-Stress: Welche Auswirkungen hat er auf Menstruierende?
Während des Lockdowns meldeten sich viele menstruierende Personen und teilten ihre Besorgnis darüber mit, dass ihre Menstruationszyklen unregelmäßiger geworden sind. Obgleich beobachteten sie mehr prämenstruelle Stimmungsschwankungen, Blähungen und Lethargie im Vergleich zu ihren Zyklen vor der Pandemie. Trotz der vielen Möglichkeiten, mit den Veränderungen im Schlafverhalten und der geringen Motivation umzugehen, befassten sich nicht viele mit diesen sich anhäufenden stillen Sorgen von Menstruierenden auf der ganzen Welt.
Eine Umfrage zur Bewertung der Veränderungen im Lebensstil und des Menstruationszyklus durch die Auswirkungen der Covid-Pandemie zeigte: 53 Prozent der 749 Befragten nahmen Veränderungen in der Menstruation wahr. Ganz besonders spiegelte es sich in Stimmungsschwankungen und Veränderungen in der Zykluslänge wieder. Die Frauen bemerkten auch, dass sich die Konsistenz ihres Periodenblutes veränderte. Einige erlebten sogar mehr Gerinnsel während ihrer Periode als sonst! Nach mehrstündigen Gesprächen mit Frauen, die ihre Periode hatten, stellten die meisten von ihnen fest, dass sie zusätzlichen Stress hatten und infolgedessen ihre Ernährung, ihre Essgewohnheiten und ihr Schlafverhalten verändert hatten. Eine direkte Verbindung mit dem Einfluss der Pandemie auf den Menstruationszyklus hatte jedoch niemand vorher gesehen.
Periode und Pandemie: Der Weg nach vorn
Wir alle wurden auf die klaffenden Risse im System aufmerksam gemacht. Nun ist es jedoch entscheidend zu überlegen, auf welche Weise wir vorankommen können, um Menstruation inklusiv zu machen. Und das geht ganz einfach: durch Sprache, Bewusstsein und das Aufdecken von Stigmatisierung. Wir können damit beginnen, all die Probleme anzusprechen, die Menstruierende nicht nur während ihrer Periode, sondern während ihres gesamten Menstruationszyklus erleben. Dazu gehören Hormonschwankungen, Stimmungsschwankungen, körperliche Veränderungen und produktspezifische Probleme.
Die Einführung der Vielfalt von Menstruationsprodukten wird auf lange Sicht die Zugänglichkeit zu diesen Produkten essenziell verbessern. Die Vorreiter der letzten Jahre, Australien, Indien, Kanada und Großbritannien, welche die Steuer auf Menstruationsprodukte abgeschafft haben, zeigen: es kann so einfach es sein, diese Produkte zugänglich zu machen. Periodenprodukte und Bewusstsein stärken die Menstruierenden! Und es gibt ihnen die Unabhängigkeit, sich auf mehr Aspekte zu konzentrieren als nur auf die Kämpfe im Zusammenhang mit ihrer Periode.
Illustration by Magdalena Otterstedt / Kopfüber Design for Vulvani