Es ist unklar, wie viele Menschen von Vaginismus betroffen sind. Schätzungen besagen, dass rund zwei bis zehn Prozent aller Frauen* an Vaginismus leiden. Das Problem ist hier vor allem, dass darüber (fast) gar nicht gesprochen wird. Es fehlt an Aufklärung und an Offenheit, was oft Schamgefühle und eine weitere Tabuisierung des Themas mit sich bringen. Also ran an die Enttabuisierung und lasst uns ausführlich über Vaginismus sprechen!
Was ist Vaginismus?
Vaginismus ist eine sexuelle Funktionsstörung bzw. Schmerzstörung, die sowohl organisch als auch psychisch bedingt sein kann. Es ist eine andauernde oder wiederkehrende unfreiwillige Verkrampfung oder Verspannung des Beckenbodens sowie des äußeren Drittels der Vaginalmuskulatur, wodurch der Scheideneingang sehr eng oder wie verschlossen erscheint. Die Muskelkontraktionen können in dem Moment nicht bewusst kontrolliert oder gestoppt werden. Durch die enge Muskelkontraktion sind unter anderem Vaginalverkehr, gynäkologische Untersuchungen oder das Einführen von Periodenprodukten sehr schmerzhaft oder gar unmöglich. Es ist wichtig zu betonen, dass die betroffene Person nichts für die Verspannung kann! Die Verkrampfung der Muskulatur wird ungewollt vom Körper ausgelöst. Die Ausprägung der Krankheit variiert stark von Person zu Person und die Erfahrungen sind somit ganz individuell.
Primärer vs. sekundärer Vaginismus
Es wird generell zwischen zwei verschiedenen Formen von Vaginismus unterschieden. Die Differenzierung basiert darauf, ob vaginale Penetration bereits möglich war oder nicht. Es ist also entscheidend, wann die Symptome zum ersten Mal aufgetreten sind.
- Primärer Vaginismus: Vaginale Penetration war nie möglich
- Sekundärer Vaginismus: Vaginale Penetration hat bereits problemlos stattgefunden, ist aktuell aber nicht mehr möglich
Du fragst dich vielleicht, ob die Verspannung beim Vaginismus permanent präsent ist? Auch hier wird wieder zwischen zwei verschiedenen Ausprägungsformen unterschieden. Oft werden die Verkrampfung und Schmerzen punktuell in bestimmten Situationen ausgelöst. So zum Beispiel beim Versuch von Vaginalverkehr, während der Periode beim Einführen eines Tampons oder der Untersuchung beim Frauenärzt*in. Es gibt aber auch Personen, die durchgehend an Vaginismus leiden.
Gründe für Vaginismus
Es gibt nicht immer genaue Gründe, warum eine Person von Vaginismus betroffen ist. Woher die Krankheit kommt, ist unklar. Vaginismus ist daher einzigartig. Denn körperliche Auffälligkeiten oder Missbildungen sind nicht die Ursache. Es werden vielmehr sexueller Missbrauch, Trauma, schmerzhafter Geschlechtsverkehr oder Ängste mit der Erkrankung in Zusammenhang gebracht. Die Gründe für Vaginismus sind ganz individuell und unterschiedlichster Art. Gerade bei emotionalen Gründen und Vaginismus sind sich Expert*innen oft nicht sicher, was was ausgelöst hat. So ein bisschen wie das Henne-Ei-Dilemma. Wenn du von Vaginismus betroffen bist, möchten wir eins klarstellen: Es ist nicht deine Schuld, dass du darunter leidest und es ist auch nichts wofür du dich schämen musst!
Wie wird Vaginismus behandelt?
Du fragst dich: Kann Vaginismus behandelt bzw. „geheilt“ werden? Die guten Nachrichten zu erst. Vaginismus kann erfolgreich behandelt werden und ist eine der am besten behandelbaren Frauen*krankheiten! Um die Behandlung besonders wirksam zu gestalten, werden meistens verschiedene Ansätze miteinander verbunden. So können neben allgemeiner Aufklärung und Beratung auch (Sexual-)Therapie und (Sport- oder Entspannungs-)Übungen Teil der Behandlungsmöglichkeiten sein.
1. Aufklärung basiert meistens auf dem Lernen der Anatomie und Muskelfunktionen des Menschen. Dies soll dabei helfen, zu verstehen, was im eigenen Körper genau passiert und wie einzelne Körperteile reagieren oder funktionieren. Auch der Bereich wie sexuelle Erregung und Geschlechtsverkehr stattfinden, gehören zum Themenpaket dazu.
2. (Sexual-)Therapie kann entweder alleine oder zusammen mit dem/r Partner*in stattfinden. Hier kann eine Spezialisierung des/r Therapeut*in auf sexuelle Störungen hilfreich sein.
3. Entspannungstechniken und Sportübungen können Entspannung im Allgemeinen unterstützen und dabei helfen, sich beim Sex wohler zu fühlen.
4. Vaginaldilatatoren können bei richtiger Anwendung und professioneller Betreuung den Vaginalmuskel dehnen und flexibler machen. Die Dilatatoren werden im Rahmen der Dehnungsübungen eingeführt. Es gibt verschiedene Größen der kegelförmigen, glatten Stäbe.
Die Kosten für die Behandlung werden von den Krankenkassen übernommen. Ein ärztliches Gespräch ist jedoch Voraussetzung, um eine Therapie beginnen zu können. Vor allem bei einer Kombination aus emotionalen und körperlichen Übungen ist die Behandlung erfolgreich. Wie lange es jedoch dauert, bis Vaginismus erfolgreich behandelt ist, ist ganz individuell. Mit der Zeit und viel Durchhaltevermögen öffnen sich dir aber sicher schon ganz bald neue Türen und deine Vagina wird auch offener.
Können Tampons oder Menstruationstassen trotzdem eingeführt werden?
Da Vaginismus in unterschiedlichen Formen auftreten kann, ist teilweise auch das Einführen verschiedener Periodenprodukte schmerzhaft oder unmöglich. Andere wiederum können problemlos Tampons oder sogar Menstruationstassen benutzen. Zum Glück gibt es mittlerweile schon eine Vielzahl an Menstruationsprodukten, die nicht in den Körper eingeführt werden müssen. Nicht-invasive Produkte fangen das Menstruationsblut außerhalb des Körpers auf. Besonders neuere Innovationen, wie zum Beispiel Menstruationsunterwäsche, können eine große Erleichterung bei Vaginismus darstellen. Ansonsten bieten sich auch ganz klassisch Binden oder Slipeinlagen an. Beides gibt es in der (leider) weitverbreiten Wegwerfvariante oder auch als wiederverwendbare Version. Auch Free Bleeding ist natürlich denkbar.
Lust und Sex?
Vaginismus hat keinen (direkten) Einfluss auf das Lustempfinden der betroffenen Personen. Es kann jedoch Penetration und den damit verbunden Vaginalverkehr aufgrund der Schmerzen unmöglich machen. Denn wenn versucht wird in die Scheide einzudringen, ziehen sich die (Vaginal-)Muskeln zusammen und verhindern das (weitere) Eindringen. Einschränkungen beim Sexleben sind also leider normal.
Hast du noch weitere Fragen?
Verkrampft deine Vagina auch ungewollt? Dann solltest du schnell einen Termin bei deinem/r Gynäkolog*in des Vertrauens vereinbaren. Es ist wichtig, mit einem/r Expert*in über deine Beschwerden zu sprechen und dir professionelle Hilfe zu holen. Wenn dich das Thema einfach so interessiert, kannst du hier noch mehr über Vaginismus erfahren. Oder das Interview mit Leonie lesen, indem sie uns Einblicke in ihr Leben mit Vaginismus gibt und ihre Erfahrung mit unterschiedlichen Behandlungsmethoden teilt.